Rezension Neujahrsgala 6.1.2024

Kultur Regional

Schwelgen in Nostalgie

Neujahrskonzert in Freinsheim lässt sich auch von einer Erkrankung nicht ausbremsen

Von Alois Ecker

Mit einem leicht bekömmlichen Galamenü aus der musikalischen Gourmetküche wurde das Publikum am Samstagabend im proppenvollen Von-Busch-Hof in Freinsheim reichlich verwöhnt.

Dass sich die zur guten Tradition gewordenen Freinsheimer Neujahrskonzerte mit dem „Schellack-Orchester“ auf künstlerisch sehr hohem Niveau bewegen, muss nicht eigens erwähnt werden, agierten doch auf der Bühne ausnahmslos begnadete Profi-Vollblutmusiker, die nicht nur eine ansteckende Spielfreude an den Tag legten, sondern auch komödiantische Akzente zu setzen vermochten. Dabei stand die Veranstaltung noch am Morgen auf der Kippe, nachdem kurz vor der Generalprobe die Hiobsbotschaft eintraf, dass mit dem Tenor Franz Zimnol einer der Protagonisten im Krankenhaus liegt.

In Windeseile musste ein neues Programm her. So musste in Windeseile ein neues Konzept erstellt werden – eine Herausforderung, die das Schellack-Orchester und die beiden sympathischen Gesangssolistinnen Elsbeth Reuter und Ilona Christina Schulz mit großem Improvisationstalent professionell meisterten. Bei „goldenen Tonfilmschlagern“ – authentisch intoniert in Arrangements der 1920er Jahre – durften die rund 300 Besucher fast zwei Stunden lang aufs Beste in Nostalgie schwelgen und auf bessere Zeiten hoffen.

Aus dem Trichtergrammophon tönte der Lilian-Harvey-Schlager „Das gibt’s nur einmal“ aus dem 1931 gedrehten Film „Der Kongress tanzt“. Die beiden bestens gelaunte Diven ließen den Sektkorken knallen – und schon ging es mit Titeln, die jeder kennt, in die Vollen. Mal Foxtrott, mal Tango, mal Paso doble – da juckte es so manchem Hobbytänzer in den Beinen. Der Groove stimmte ganz einfach bei den Instrumentalisten, die sich vorwiegend aus Mitgliedern der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz rekrutierten. Die Streicher- und Bläsergruppen überzeugten durch harmonisches und rhythmisch perfektes Zusammenspiel, auch in den Solopartien bewiesen sie ihre Qualitäten. Und auf den Cellisten Friedrich-Martin Voigt wartete eine weitere Aufgabe: Er führte als routinierter Moderator durch das mit Ohrwürmern gespickte Programm.

Eine Mega-Portion Torte? Kein Problem für Ilona SchulzReizend anzusehen war, wie die beiden Primadonnen nicht nur mit ihrer Sangeskunst, sondern auch mit schauspielerischem Talent um die Gunst des Publikums buhlten. Während Elsbeth Reuter mit „Schön wie der junge Frühling“ verzauberte und den Titel „Roter Mohn“ mit herrlichen Koloraturen garnierte, verschlang Ilona Schulz, die Lokalmatadorin aus Freinsheim, zu ihrer Ulknummer „In einer kleinen Konditorei“ eine Mega-Portion Torte mit einer Extraladung Sprühsahne. Passend zum aktuellen Schietwetter packten sie dann den choreografisch in Szene gesetzten Schlager „Unter einem Regenschirm am Abend“ aus. Da mussten sich sogar die Musiker teilweise etwas ungelenk ein Ganzkörperkondom überstülpen – ein Bild für Götter.

Auch nach der Pause setzten die Akteure eine ganze Reihe von Glanzpunkten – angefangen vom „Schönen Gigolo“ über den flotten „Truxa Fox“ bis zu dem von Elsbeth Reuter ergreifend interpretierten „Stern von Rio Grande“ („Mañola, du Traum meiner Nächte“). Schulz durfte noch einen draufsetzen und heimste mit dem unverwüstlichen Zarah-Leander-Hit „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ einen Riesenapplaus ein.

Die kleine Stadt will schlafen gehen – von wegen! Noch freilich hatten die Künstler ihr Pulver nicht gänzlich verschossen. Wohltuend besinnlich wurde es beim Instrumentaltitel „Sternennacht“ mit solistischen Einwürfen von Geige und Saxofon im Wechsel. Zum Träumen lud das durch die „Comedian Harmonists“ populär gewordene Lied „Irgendwo auf der Welt“ ein. Den furios-mitreißenden Schlusspunkt setzte „Black Bottom“ mit Federboa, Sekt und einer fetzigen Tanzeinlage. Zwei Zugaben waren angesichts des stürmischen Beifalls geradezu Ehrensache. Als Abschiedstitel erklang „Die kleine Stadt will schlafen gehen“. Nicht so im historischen Teil von Freinsheim. In mehreren Weinlokalen brannte da noch Licht.

Quelle

Ausgabe          Die Rheinpfalz Bad Dürkheimer Zeitung – Nr. 6

Datum             Montag, den 8. Januar 2024