Rezension Liederabend Krimmel/Amaral

Wegen der besseren Lesbarkeit hier nochmals der Text der Rezension von Gertie Pohlit:

Kultur Regional

Wunderschöne Stimme mit Raffinement

In der Reihe Von-Busch-Hof konzertant brillierte am Freitag ein aufleuchtender Stern am Lieder-Himmel. Zu Gast war der junge Bariton Konstantin Krimmel, der mit Marcelo Amaral am Piano den perfekten Dialogpartner hatte. Die beiden Musiker wurden vom Publikum frenetisch gefeiert.

Von Gertie Pohlit

Im intimen Rahmen des beschaulichen Freinsheimer Von-Busch-Hofs bespielen mit schöner Regelmäßigkeit Interpretinnen und Interpreten von internationalem Rang das Podium. Und zuweilen hat Rainer Schick, Spiritus Rector der Reihe, auch die Nase vorne mit einem Shooting-Star der Klassikszene. So wie am Freitag mit Konstantin Krimmel, dessen Ruf als aufleuchtender Stern am Opern-, Oratorien- und Lieder-Himmel gerade durch die Decke schießt. 31 Jahre jung, seit 2021 Mitglied der Bayerischen Staatsoper, Gewinner zahlreicher Preise, wurde der Ausnahme-Bariton jüngst von der Zeitschrift „Opernwelt“ zum „Nachwuchssänger des Jahres“ gekürt.Dass der annoncierte Titel „Im wunderschönen Monat“ und damit auch der angekündigte Zyklus „Dichterliebe“ von Robert Schumann zugunsten des ebenfalls recht romantischen Schwenks in Richtung „Geisterwelten“ entfiel, tat dem Erlebnis eines außergewöhnlichen Liederabends keinen Abbruch.

Mutterträume und KampfgetümmelZumal Krimmel und sein fabelhafter Begleiter Marcelo Amaral am Klavier beherzt im Schatzkästlein einschlägiger Liedliteratur geplündert hatten. Ludwig van Beethovens „An die ferne Geliebte“ gilt als erster Liederzyklus in der Musikgeschichte – geschrieben im Auftrag seines Mäzenen Fürst Lobkowitz, als Epitaph für dessen verstorbene Frau entstanden; sechs liebevolle Poeme, die nahezu übergangslos ineinanderfließen.

Robert Schumann kam anders als vorgesehen mit seinem op. 40 ins Spiel, vier Lieder auf Gedichte von Hans Christian Andersen nebst einem von dessen Übersetzer, Adalbert von Chamisso. Darin geht es in vehementen Schilderungen um Mutterträume, Kampfgetümmel und betrogene Liebe. Nach der Pause dann doch ein Ausschnitt aus der dichterischen Liaison mit Heinrich Heine; und eine der wenigen Balladen-Vertonungen Schumanns: „Belsazar“, op. 57.

Konstantin Krimmel steht konzentriert, fast unbeweglich am Flügel; investiert wenig Gestik, umso mehr sprechen Kopfhaltung, Mimik und Augenfeuer mit dem Auditorium. Und natürlich vor allem diese Stimme, die zunächst und nüchtern betrachtet vor allem ungemein schlackenfrei und elegant daherkommt. Ein sonorer, schlanker Bariton, wie man ihn kaum ebenmäßiger und reiner erfinden könnte. Kein Lagenwechsel stört da, die Tiefe vibriert sanft, kernig und geerdet, nach oben erblühen mühelos Höhenregister von bestechender Strahlkraft bis in tenorale Bereiche.

Dramatische
Ebenen ausgelotetVor allem aber ist Konstantin Krimmel ein begnadeter Gestalter. Er macht das fast in der Art eines orientalischen Märchenerzählers; immer hart am Geschehen; mit allen Mitteln sanglichen Raffinements lotet er dramatische Ebenen aus. Das alles hat Kalkül, wirkt nicht aufgesetzt, sondern leuchtet tief in Lyrik und Vertonung hinein, bis in scheinbar marginale Bereiche, dem Spannungsmoment ausgedehnter Pausen etwa, wie bei „Belsazar“, mit dem Krimmel ganz große Oper zelebrierte.

Vollends die Liedvertonungen aus der Feder von Johannes Brahms intensivierten das nochmals. Es war ein kleiner Katalog von Kompositionen auf Texte meist – bis auf Heine und Liliencron – heute kaum noch geläufiger Dichter, deren Unsterblichkeit erst durchs Brahms Zugriff gesichert scheint. Der Komponist hat sie veredelt mit seinem melancholisch todessüchtigen, zuweilen liebestrunkenen Melos.

All diese Empfindsamkeit, Dünnhäutigkeit, gepaart mit vehement trotzigem Aufbegehren greift in Krimmels subtil ausmodulierter Lesart tief unter die Haut der Lauschenden. Und bei all dem Schauer, der elegischen Abgründigkeit, die da spannungsgeladen und brillant ausinszeniert vom Podium schwappt, bannt einen letztlich die schmeichelnde Aura einer faszinierend schönen Stimme, die weder Klippen noch Anstrengung zu kennen scheint.

Aber was wäre Max ohne Moritz? Der Sänger ohne den Partner am Flügel, der auf Augenhöhe an den Tasten mit ausficht, was Wort und Stimme verkünden? Der in Brasilien geborene Marcelo Amaral, Professor für Liedgestaltung an der Musikhochschule Nürnberg, jedenfalls bettete sein sängerisches Alter Ego mit geschliffener fingertechnischer Rhetorik komfortabel auf ein solides pianistisches Fundament.

Darüber hinaus schien er mit ihm zu atmen, reagierte nicht, sondern agierte vorausschauend; förderte – gerade bei Schumann – auch das Doppelbödige, das unterschwellig bös Ironische („Der Soldat“, „Der Spielmann“) raffiniert an die Oberfläche. Er kommentierte, konterkarierte und rundete mit seinem markant expressiven, gleichwohl ausgesprochen sanglichen Spiel die Begleitung der Singstimme zum perfekten Dialog. Für den stürmischen Beifall gab es „Willkommen und Abschied“ von Franz Schubert als Zugabe.

Quelle

Ausgabe Die Rheinpfalz Bad Dürkheimer Zeitung – Nr. 121
Datum Montag, den 27. Mai 2024