Rezension Klavierabend Joseph Moog

Marcus Pacher von der Rheinpfalz hat eine kenntnisreiche und treffende Rezension über das wunderbare Konzert von Joseph Moog geschrieben, das am 27.01.2024 im Von-Busch-Hof stattfand:

Kultur Regional

Goldene Zeiten

Joseph Moog zählt zu den absoluten Publikumslieblingen in Freinsheim. In der Reihe „Von-Busch-Hof konzertant“, zu deren musikalischen Impulsgebern der Pianist seit Jahren gehört, überraschte er das Publikum am Samstag mit einem außergewöhnlich spannenden, das „Golden Age der Klaviermusik“ feiernden Programm.

Von Markus Pacher

Wenn vom „Golden Age“ und Joseph Moog die Rede ist, denken seine Fans natürlich sofort an seine beiden Götter Franz Liszt und Sergey Rachmaninoff. Doch nichts von beiden beim jüngsten Heimspiel des gebürtigen Ludwigshafeners in Freinsheim – der 36-Jährige, der längst zum internationalen Klavierstar avanciert ist, kann mehr als donnerndes Oktavspiel, brillantes Laufwerk und virtuose Tasten-artistik. „Lieder ohne Worte“ waren der rote Faden, mit dem der in Neustadt aufgewachsene Ausnahme-Musiker das Publikum im restlos ausverkauften Konzertsaal über zwei Stunden lang in seinen Bann zog.Ein Stück für das Klavier der Zukunft. Vom wütenden Tastenlöwen zum einsamen, in sich gekehrten Klavierpoeten: In der berühmten Wandererfantasie von Schubert darf er beide Facetten seiner Persönlichkeit ausleben. Das auf einem Liedfragment basierende Werk gilt als Schuberts revolutionärsten Klavierstück, gewissermaßen als sein „nicht komponiertes Klavierkonzert“. Der berühmte Pianist Alfred Brendel sagte einst, der Wanderer sei für das Klavier der Zukunft geschrieben. Vor allem aber ist es Musik für Menschen, die ihre Heimat verloren haben und sich auf der Suche nach dem Sinn des Lebens befinden. Und irgendwie scheint sich Moogs offen ausgesprochene Bekenntnis zur geliebten Pfalz in seiner Interpretation zu spiegeln. Es ist die komplette emotionale Bandbreite zwischen sehnsuchtsvoller Seelentiefe und energiereichem, zuweilen fast grimmig entschlossenem Zugriff. Das alles erzeugt beim Publikum einen Gänsehautschauer nach dem anderen. Man staunt: So virtuos und zart zugleich kann die Musik des von seinen Freunden liebevoll „Schwammerl“ genannten Schubert sein.

Zwei „Liedern ohne Worte“ von Mendelssohn (op. 19/1 in A-Dur und op. post in A-Dur), in denen Moog seine Qualitäten als Sänger am Klavier unter Beweis stellen darf, folgen Geister und Elfen im Bravourstück „Rondo Capriccio“, das eigentlich auch ein „Lied ohne Worte“ ist und bei dem Moog mit ungebremstem Spielfluss den Steinway zum Glühen bringt.

Wer denn sein Lieblingskomponist sei, wird der Pianist oft gefragt. Nein, nicht nur Liszt und Rachmaninoff haben in seiner Jugend sein musikalisches Herz erobert. Seine größte Leidenschaft gilt Alexander Skrjabin, allen voran dessen sinfonischem Werk, dem er bei einem Konzert der Staatsphilharmonie im Alter von zwölf Jahren erstmals begegnete und welches damals nach eigener Aussage eine geradezu hypnotische Wirkung auf ihn ausübte. Wie er nun die komplexen Strukturen etwa der Klaviersonate Nr. 4 völlig unangestrengt serviert, grenzt an ein Wunder. Die rhythmischen Vertracktheiten serviert und entschlüsselt Moog mit der Gelassenheit eines routinierten Schlagzeugers.

Gute Freunde soll man nicht trennen. Charles Valentin Alkan? Schon einmal gehört? Wohl kaum, obwohl der Franzose zu Lebzeiten als Komponist und Pianist große Wertschätzung in der Musikszene genoss, eng mit Chopin befreundet war und die beiden zeitweise das gleiche Haus in Paris bewohnten. Berüchtigt als Komponist pianistischer Schwerstliteratur hat er auch zarte und verträumte Legato-Stücke hinterlassen. Drei davon nutzt Moog als Überleitung zur berühmten h-Moll-Klaviersonate von Chopin, die in der Musikgeschichtsschreibung zuweilen als Ersatz für dessen nicht geschriebene Sinfonie bezeichnet wird. Moog bittet zuvor das Publikum, den Übergang von Alkan zu Chopin nicht durch Beifall zu unterbrechen – und schlägt damit eine schöne Brücke zwischen den beiden Freunden. Wuchtig, emotional mitreißend ist dann sein Chopin.

Wie er nach der zweistündigen Tour de Force noch die Kraft findet, dem Publikum drei wunderbare Zugaben zu schenken, bleibt rätselhaft: Im Nocturne op. 15/2 entdeckt er den eleganten Salonmusiker in Chopin, gefolgt von erfrischend-sprudelnden Klangkaskaden aus der Feder des „englischen Rachmaninoff“ Edwin York Bowen, bevor er mit Rodrigez’ „La Cumparsita“, der „Mutter aller Tangos“, in einer gleichermaßen hochvirtuosen wie skurrilen Klavierbearbeitung von Cyprien Katsaris einen letzten glanzvollen Akzent setzt.

Quelle

Ausgabe Die Rheinpfalz Bad Dürkheimer Zeitung – Nr. 24
Datum Montag, den 29. Januar 2024