Rezension Fabian Müller

Klavierabend mit Fabian Müller am 7. November 2022

Rezension von Walter Schunter, Von-Busch-Hof Konzertant

Leider konnten weder Die Rheinpfalz noch andere Blätter einen Berichterstatter zu diesem Konzert in den Von-Busch-Hof schicken.

Dies ist eine Rezension aus Sicht eines Vereinsmitgliedes. Eigenrezensionen sind normalerweise nicht üblich wegen der Gefahr des Eigenlobs. Aber wer an diesem Abend miterlebt hat, wie enthusiastisch die Zuhörer den Pianisten gefeiert haben, mit stehenden Ovationen, Bravorufen und sonstigen Äußerungen der Begeisterung, da kann man sich guten Gewissens positiv über die Veranstaltung äußern.
Rainer Schick, unser Künstlerischer Beirat, gab eingangs einen Rückblick auf die Bemühungen, Fabian Müller für ein Solokonzert nach Freinsheim zu bekommen. Fabian Müller war bereits vor vier Jahren mit einem Klaviertrio hier aufgetreten – eingesprungen für den verhinderten Pianisten Martin Helmchen. Rainer Schick war begeistert von den pianistischen Fähigkeiten von Fabian Müller und arrangierte mit ihm einen Termin. Wegen der Corona-Pandemie musste das Konzert mehrfach abgesagt werden und es hat bis zum 7. November gedauert, bis es endlich geklappt hat.

Der erste Teil des Konzerts war der deutschen Romantik vorbehalten. Zuerst Schuberts Drei Klavierstücke (D 946), die er kurz vor seinem Tod geschrieben hat. Es sind relativ lange Stücke voller unterschiedlicher Melodien. Fast möchte man mitsingen, so einprägsam und sanglich sind sie aneinandergereiht. Die Stücke sind ein Paradebeispiel für Schubert als Meister der Übergänge, bei dem Melodien und Harmonien mit unterschiedlichem Charakter reibungslos miteinander verbunden werden. Fabian Müller spielt diese Stücke sehr transparent und ohne romantische Träumerei.

Danach Schumanns Sonate Nr. 2 g-Moll, op. 22, begonnen bereits im   Jahr 1830. Schuman hat immer wieder daran gearbeitet und sie erst 1839 drucken lassen. Der erste Satz verlangt eigentlich Undurchführbares: Er hat die Tempobezeichnung „So rasch wie möglich“, aber dann gegen Ende fordert Schumann „schneller“ und ganz zum Schluss heißt es „noch schneller“. Fabian Müller meistert diese Herausforderungen mit unglaublicher Bravour. Der 2. Satz, ein Andantino, gibt Raum für Momente innerer Einkehr mit der Melodie eines bekannten Liedes von Schumann („Im Herbste“). Der letzte Satz, ein hochvirtuoses Prestissimo, kritisierte Clara Wiek als unangemessen schwer, weshalb Schumann eine weniger komplexe Version veröffentlichte. Fabian Müller spielte diese erste, technisch extrem schwierige Version. Und er spielt sie klar strukturiert, trotz des hohen Tempos war jeder einzelne Ton deutlich hörbar. Selten gibt es vor der Pause schon stehenden Beifall, aber an diesem Abend klatschen einige Zuhörer begeistert Beifall im Stehen.    Fabian Müller hatte bereits vor der Schumann Sonate einige Informationen über die weiteren Stücke gegeben und gewarnt, dass es nach der Schumann-Sonate noch leidenschaftlicher werden würde…

Nach der Pause folgte Klavierstück Nr. 5 („Tombeau“) des zeitgenössischen Komponisten Wolfgang Rihm, komponiert 1976. Es beginnt mit einem fortissimo Bassakkordschlag, der bis zum Verklingen gehalten wird – in der Stille gibt es Raum für viele Gedanken! Was folgt ist wie ein wilder Flug über eine total zerklüftete musikalische Landschaft, nur an wenigen Stellen von einigen Melodie-Splittern unterbrochen. Die Musik ist atonal, chaotisch, mit nichts Vertrautem zu vergleichen. Fabian Müller spielt dieses unglaublich virtuose Stück gesammelt, fast mit Selbstverständlichkeit. Bewundernswert, wie er diese schwierigen Griffe und perkussionsartigen Schläge in diesem atonalen Raum auf die Tasten bringt!

Dann endet der wilde Flug und man landet fast sanft auf ebener Bahn: Es ist das erste Thema des Hauptsatzes von Beethovens Appassionata, übergangslos gespielt. Man ist wieder auf vertrautem Terrain.
Was jetzt erklingt ist eine der ganz zentralen Klaviersonaten in Beethovens Schaffen. Die Komposition bleibt nicht in dieser ruhigen Phase stecken. Weite Läufe, meist abwechselnd für beide Hände, kennzeichnen die Durchführung. Aber noch ist das nicht der Teil der Sonate, für den die Nachwelt Beethovens dieser Sonate den Namen „Appassionata“ (Leidenschaft) gegeben hat. Zuvor holt Fabian Müller das wunderschöne Thema des zweiten Satzes aus der Tiefe der Bassregion, lässt dieses Thema in verschiedenem Licht erscheinen und führt es allmählich in immer höhere Regionen einem Höhepunkt zu. Und dann kommt per attacca der dritte Satz Allegro. Im diesem Satz offenbart sich Beethovens Furor, jähe Wut, Ingrimm, Auflehnung, Empörung bis zur Raserei. Weite Läufe beider Hände, teils parallel, teils gegenläufig, erfordern höchste Virtuosität. Es gibt kaum Ruhepunkte. Stakkatopassagen werden eingestreut und leiten nach einer Temposteigerung das Finale ein, das   arpeggioartig aus großer Höhe in die Bassregion abstürzt und mit drei wuchtigen Akkorden die Komposition beendet.

Fabian Müller sieht man kaum an, was für eine ungeheure Leistung er soeben vollbracht hat. Mitgerissen hat er jedenfalls das Publikum, das spontan aufsteht und ihn mit Ovationen überschüttet, er muss mehrmals auf die Bühne und schließlich lässt er sich erweichen, setzt sich an den Flügel und kündigt ein Stück mit dem Titel „Pantomime“ von dem ungarischen Komponisten Kurtag an. Er setzt eine ernste Miene auf und fängt an zu spielen – etwa fünf Zentimeter über den Tasten: da sitzt ein Schalk am Flügel! Das einsetzende Gelächter nimmt nun die Anspannung aus dem vorigen leidenschaftlichen Konzertverlauf weg, aber der Akteur des Abends lässt es sich nicht nehmen, noch eine letzte Zugabe zu spielen, ein innig und zart vorgetragenes Wiegenlied von Johannes Brahms. An liebsten hätte man mitgesungen…

Selten gab es nach einem Konzert so viele begeisterte Kommentare von unseren Besuchern wie an diesem 7. November. Von-Busch-Hof Konzertant  wird sich bemühen, mit diesem außergewöhnlichen Pianisten bald wieder einen Konzerttermin zu vereinbaren.