Rezension Christian Tetzlaff

Das letzte Konzert im Jahr 2022 war sicherlich ein Höhepunkt der Saison 2022/2023. Schwere Kost zwar, ein großes Programm mit Sonaten und Partiten von J. S. Bach auf der Solovioline, dargeboten von einem Künstler, den viele Fachleute als den weltbesten Bachinterpreten einstufen. Das war einfach einmalig, wie auch der Bericht von Frau Kirsch in Die Rheinpfalz vom 1.12.2022 aufzeigt:

Kultur Regional

Bach mal anders

Christian Tetzlaff im Von-Busch-Hof

Von INge Kirsch

Der Freinsheimer Von-Busch-Hof war so voll als habe es Corona nie gegeben – und das an einem Montag! Liebhaber klassischer Musik, besonders der Kammermusik, wissen , welches Juwel ihnen hier geboten wird. Der Violinvirtuose Christian Tetzlaff spielte solo sechs Sonaten und Partiten von Johann Sebastian Bach.

Ein Konzert mit sechs Suiten für Violoncello Solo mit Julian Steckel gab es im Von-Busch-Hof im April 2018. Damals waren die Veranstalter in leisem Zweifel, ob sich genug Publikum einstellen würde. Damals war es aber wie jetzt auch wieder, das Publikum war fasziniert. Die unglaubliche Konzentration, die vom Solisten ausgeht, überträgt sich auf die Zuhörer. Ein nicht zu großer Saal wie in Freinsheim ist ideal , um diese Wirkung zu erzeugen.

Christian Tetzlaff gehört zu den Musikern, die der Verein Von-Busch-Hof Konzertant „unsere Musiker“ nennt, er war schon oft in Freinsheim, meist mit seinem Quartett. Dieses Mal konzertierte er hier solo als Beginn einer Tournee, die ihn nach Kanada führt. Die „Sechs Sonaten und Partiten für Violine Solo“ gehören zu den Stücken, vor denen Musiker größten Respekt haben. Christian Tetzlaff hat sie schon mehrfach aufgenommen, stets ein wenig anders, seit Jahren beschäftigt er sich mit dieser Musik, er gilt als einer der Spezialisten.

Es beginnt mit je einer Sonate, gefolgt von einer Partita – die drei Sonaten stets nach dem Muster der Kirchensonaten langsam-schnell-langsamer-schneller, die drei Partiten nach der Satzfolge der Tänze Allemande – Courante – Sarabande – Gigue, erweitert durch eine Bourée, oder ergänzt durch eine Chaconne. Die Chaconne, oder Ciaccona, in der Partita II ist das bekannteste und eindrücklichste Stück, es beeindruckt durch Tiefsinn und musikalische Vielfalt. Wie Christian Tetzlaff zu Beginn des Konzertes ausführte, schrieb Bach die Partita II nachdem er von einer Reise heimkehrte und seine Frau inzwischen gestorben war. Eine Reise von tiefer Trauer und Dunkelheit in Richtung Trost und Zuversicht, in die Helligkeit des Heilsversprechens, eine übersinnliche, religiöse Reise.

Das Konzert war von einer unbeschreiblichen Vielfalt, Energie, Melancholie und Rasanz. Es wirkte, als seien die verschiedenen Sätze miteinander im Gespräch. Die häufige Zwei- und Dreitönigkeit wirkte so, als sei die Geige mit anderen Geigen in lebhafter Konversation. Mal hörte man Ausdruck von Trauer, von Niedergeschlagenheit, bedächtigem Abwägen, von Zorn und Zärtlichkeit, von wildem Wirbel. Die Prestopartien spielte Tetzlaff so, dass Prestissimo eine Untertreibung wäre. Seine Virtuosität, seine Vielfalt des Ausdrucks, seine an- und abschwellenden Bögen, die Vielfalt der Eindrücke lässt sich sprachlich gar nicht darstellen.

Bach hat man auch schon anders gehört, mehr auf Regelhaftigkeit abzielend, mathematische Ordnung betonend, in der Musiktherapie angewendet, zum Beispiel mit der Behauptung „Bach senkt den Blutdruck“. Diese Vorstellungen wird niemand bei Christian Tetztlaffs Konzert gehabt haben. Es war voller Gegensätze und Leidenschaften, da ging der Blutdruck eher in die Höhe. Seine Aufführungspraxis sei nicht so, sagt er im Gespräch, dass Bach sie nicht wiedererkannt hätte. In der Barockzeit habe eine große Freiheit in dieser Hinsicht geherrscht.

Während des Konzerts hatte man den Eindruck, dass alle, Solist und Publikum, den Atem angehalten haben. Am Schluss brach die Anspannung aus in Bravorufen und stehende Ovationen.

 

Quelle

Ausgabe              Die Rheinpfalz Bad Dürkheimer Zeitung – Nr. 279

Datum Donnerstag, den 1. Dezember 2022