Martin Helmchen brilliert im Freinsheimer Von-Busch-Hof
Von Inge Kirsch
Seine Zuhörer verzückt hat Pianist Martin Helmchen im Freinsheimer Von-Busch-Hof: Sobald er sein Konzert beendet hatte, stand das ganze Publikum spontan auf, klatschte, rief „Bravo“ und konnte sich kaum beruhigen.
Helmchen spielte sechs Partiten von Johann Sebastian Bach. Als „Clavierübung“ hat Bach seine Stücke bezeichnet. Das darf aber nicht so verstanden werden, dass es Stücke für Schüler wären. Es sind, ganz im Gegenteil, Stücke für Meister, die sich hier in ihrer Meisterschaft üben. Alles, was überhaupt musikalisch möglich schien an Melodien, Rhythmen, Tempi, alles Erdenkliche wird hier durchgespielt.
Sechs oder sieben Sätze hatte jede Partita, nach je zwei Partiten gab es eine Pause zum Durchatmen für den Pianisten und die Gäste. Die Konzentration des Solisten war überwältigend und überwältigte auch sie. Es war mucksmäuschenstill im Saal. Man solle sich einfach dem Hören hingeben, empfahl Rainer Schick, künstlerischer Leiter der Konzertreihe, den Zuhörern. Man konnte in eine Art Trance fallen und sich von der Musik durchströmen lassen, dennoch war eine erhöhte Aufmerksamkeit zu spüren, jeder Ton war zu hören und zu beachten.
Die Partiten sind einander ähnlich und gleichzeitig ganz anders. Jede hat eine andere Einleitung, mal „Praeludium“, „Praeambulum“ oder „Ouverture“ genannt, mal „Fantasia“, „Sinfonia“ oder „Toccata“. An zweiter Stelle stand immer eine „Allemande“, gefolgt von einer „Corrente“ oder „Courante“, an dritter oder vierter Stelle eine „Sarabande“, an letzter Stelle eine „Gigue“: Daneben gibt es Menuette, Gavotten, Passepied und Rondeau, alles Tänze in der höfischen Tradition von Bachs Zeit. Die Allemande beschwingt, die Courante saust dahin wie ein Wirbelwind im Zentrum, der von der bedächtig philosophischen Sarabande abgelöst wird. Mit der flotten Gigue ist jede Partita beendet – außer bei der Partita Nr. 2, die mit einem „Capriccio“ endet.
Jede Partita hat ihren eigenen Charakter. Die letzte ist besonders emotional, insbesondere die Sarabande wirkt sehr tiefsinnig, wird aber über Gavotte und Gigue wieder ins Flotte, aber nicht Übermütige geführt. Helmchen kombinierte stets eine Moll-Partita mit einer in Dur. Diese Ordnung finde er dramaturgisch am besten, sagte Helmchen. Auf die Reihenfolge komme es nicht an, Bach habe die Partiten nicht in Konzerten hintereinander gespielt und sie wohl auch nie in ihrer Gesamtheit in einem Konzert gehört.
Sie insgesamt hintereinander zu spielen, ist eine immense Anstrengung. Bei der letzten Partita war das besonders spürbar. Die Intensität und die meditative Wirkung beschrieb eine Zuhörerin so: Es sei, als wenn der Solist aus einem Tunnel herauskäme. Wie Helmchen es schaffte, eine solch immense Vielfalt und Vielgestaltigkeit auswendig, in tiefer Versenkung zu spielen, war den Gästen unbegreiflich. Es war, als wäre das Instrument einer seiner Körperteile.
Was bei dieser Musik fasziniert, ist die Gleichzeitigkeit von Regelhaftigkeit und unendlichem Ideenreichtum. Der wilden Natur, dem Chaos der kriegerischen Menschheit setzte die Kunst des Barocks ihre Ordnung und ihre Schönheit entgegen, die Regelhaftigkeit und Unendlichkeit des Sternenhimmels sollte ein Abbild auf Erden haben. Davon konnte man in diesem Konzert eine Ahnung bekommen.
Quelle
Ausgabe Die Rheinpfalz Bad Dürkheimer Zeitung – Nr. 265
Datum Montag, den 15. November 2021