Das 2. Festival ist zu Ende. Die Rheinpfalz hat am 12. 09. zunächst über die ersten beiden Konzerte und am 13. 09. über das dritte Festivalkonzert ausführlich berichtet. Wir danken Frau Pohlit und Frau Kirsch für die ausführliche und die grandiose Stimmung wiedergebenden Rezensionen sowie Frau Franck für das “treffsichere” Bild:
Kultur Regional
Kammermusik, spannend wie ein Krimi
Am Freitag startete das dreitägige „2. Festival Freinsheim konzertant“ im Von-Busch-Hof mit einem exzellenten Duo-Abend. Dabei bereiteten der Cellist Julian Steckel, kurzzeitig auch Freinsheimer „Artist in Residence“, und der Pianist Paul Rivinius Ludwig van Beethoven ein wahres Fest.
Von Gertie Pohlit
Mit einem hochkarätig besetzten, vier Veranstaltungen beinhaltenden kleinen Festival startete der Verein „Von-Busch-Hof-konzertant“ am Wochenende in die Saison 2022/23. Neun weitere Kammermusik-Veranstaltungen sollen bis Mai nächsten Jahres folgen. Wie beim Premiere-Festival vor drei Jahren war mit dem Cellisten Julian Steckel ein prominenter „Artist in Residence“ in Dauerpräsenz des Konzertreigens geladen; der obendrein gerade mit einem „Opus Klassik“ prämiert worden war, ebenso wie das Armida Quartett, Steckels Kammermusikpartner am Folgetag.
Zum Auftakt am Freitagabend wurde Beethoven pur serviert – zwei seiner insgesamt fünf Sonaten für Violoncello und Klavier, dazu die populäreren Variationenwerke zu Themen von Händel und Mozart. Und wem das allein schon Runzeln auf der Stirn verursacht, dem sei vorweg gesagt: Man erlebte eine gewiss andere Art von Spannung, aber mindestens genauso fesselnd wie ein guter „Tatort“-Krimi.
Eine wegweisende Sonate für Cello und KlavierJulian Steckels Partner am Flügel war – wieder einmal – Paul Rivinius, ein kammermusikalisches Alter Ego, mit dem er sich gerne auf dem Podium trifft, wenn beider proper gefüllte Terminkalender es zulassen. Natürlich war die A-Dur-Sonate, opus 69, das Paradestück im Programm. Entstanden 1808 im Dunstkreis der 5. Sinfonie, vor allem aber die nachfolgende, die „Pastorale“ in ihren Stimmungen schon erahnend – im Adagio etwa –, hat sie für die Gattung eine grundsätzliche Wegmarke gesetzt.
Mit ihr hat Beethoven das Cello emanzipiert, es aus seiner tief gründelnde Bestimmung im kammermusikalischen Kontext sozusagen nach oben geholt, es dem Klavier als ebenbürtigen und durchaus streitbaren Dialogpartner an die Seite gestellt. Mendelssohn, Brahms und eigentlich alle Tondichter der Nachfolgegenerationen haben das in ihren Werken wie selbstverständlich festgeschrieben. Bei Beethoven wirkt es noch wie ein Befreiungsschlag.
Das virtuose Potenzial ist, wie auch schon bei Nr. 2 aus opus 5, der wesentlich früher entstandenen g-Moll Sonate gleichmäßig auf beide Spieler verteilt. Und was Julian Steckel und Paul Rivinius daraus machten, war wirklich sensationell und mit Worten kaum adäquat zu beschreiben. Sie öffneten mit ihrer grandiosen, bis in subtilste Winkelchen präzise ausgeleuchteten Interaktion eine klangliche Schatzkammer, die allein durch ihren sich gefühlt ständig noch steigernden gestalterischen Esprit übertroffen wird.
Glasklares Klavierspiel von Paul RiviniusRivinius agierte vom Flügel aus mit kristallener Klarheit, seine Läufe glichen makellosen Perlenschnüre, und seine furiosen dynamischen Attacken ebenso wie sein weiches Geflüster spiegelte sich auf faszinierende Weise in Steckels konzertanter Gegenrede. Die war verbindlich bis intim, zuweilen emotional bis zum Exzess. Was keineswegs im Sinne eines plakativen, mit Attitüde beladenen Spiels missverstanden sei.
Aber Julian Steckel modellierte jede Phrase, jeden scheinbar noch so marginalen figurativen Moment mit solch nachdrücklicher Sorgfalt, gleichwohl berückender Selbstverständlichkeit, dass einfach nichts verlorenging, auch nicht, wenn die Jagd übers Griffbrett sich momentweise im Akrobatische zu verlieren schien. Und er genoss es sicht- und fühlbar, die kontemplativen Momente, etwa im Kopfsatz der 2. Sonate, schwelgerisch auszukosten. Sein Cello-Ton war permanent auf Hochglanzniveau, zuweilen von fast schmerzhaft schmelzender Schönheit, und besonders stark in Momenten des Innehaltens, des sanften Verebbens in dreifaches Piano. Vor dem nächsten Sturm.
Die Zugabe setzt noch ein Sahnehäubchen draufMit den jeweils 12-teiligen Variationenzyklen über ein Thema aus dem Händel-Oratorium „Judas Macchabäus“ beziehungsweise aus der Mozart’schen „Zauberflöte“ („Bei Männer, welche Liebe fühlen“) hievte das Duo ein bühnenreifes Spektakel fürs Kopfkino, eine wahre Laterna Magica an mosaikartigen Effekten und Stimmungen aufs Podium. Welch ein Genuss, der spiellaunigen Fantasie Beethovens im charmant eleganten, keck bis elegisch, umwerfend kontrastfreudigen und brillanten Schlagabtausch der beiden Künstler zu folgen. Nach Jubel setzte die Zugabe noch ein emotionales Sahnehäubchen obenauf: Faurés populäre „Sicilienne“, im Gesang des Cellos fast noch betörender als im Original für Flöte.
Quelle
Ausgabe Die Rheinpfalz Bad Dürkheimer Zeitung – Nr. 212 vom Montag, den 12. September 2022
Kultur Regional
Zur Sache: Das zweite Konzert des Festivals
Julian Steckel nun zusammen mit dem Armida Quartett
Von Inge Kirsch
Die Musik am zweiten Konzertabend Abend ist von Trauer unterlegt. Alle Stücke entstanden kurz vor dem Tod der Komponisten. In allen war – auf ganz verschiedene Art – das Drama des Lebenskampfes und die Sehnsucht nach Lebenslust zu spüren. Julian Steckels Cello spielte dabei eine zentrale Rolle.
Das Armida Quartett – das sind Martin Funda und Johanna Staemmler (Violine), Teresa Schwamm-Biskamp (Viola) und Peter-Philipp Staemmler (Cello) – hat kürzlich den Opus Klassik-Preis für Einspielungen der Streichquartette von Mozart gewonnen. Eine herausragende Qualität war zu erwarten. Die Bratschistin war allerdings erkrankt. Mit Barbara Buntrock, Professorin für Viola an der Musikhochschule Düsseldorf, fand man jedoch eine adäquate Vertretung.
Das Armida Quartett spielte Mozarts Streichquartett in D-Dur, KV 575, das erste seiner drei „preußischen Quartette“. Er hat sie für den preußischen König Friedrich Wilhelm II. geschrieben. Mozart war überschuldet und verzweifelt. Er hoffte vergeblich auf Aufträge oder eine Anstellung bei Hofe in Berlin. Der preußische König – Neffe und Nachfolger Friedrichs des Großes, der gerne und gut Flöte spielte – war ein Cellist, der sich mit Freuden virtuosen Stücken widmete. Daher gab Mozart dem Cello in diesen Quartetten eine prominente Rolle.
Das war deutlich zu hören, der erste Satz war ein Gespräch unter vier Instrumenten, wie Mozart es ausdrückte, das zeitweise zu einem Dialog zwischen erster Violine und Cello wurde. Von den vier Sätzen sind drei mit „Allegretto“ bezeichnet, sollten also fröhlich klingen. Die Trauer ist allerdings nicht zu überhören. Das Armida Quartett akzentuiert durch seine Spielweise die Gegensätze der Gefühle, die hier zum Ausdruck kommen. Zarteste Passagen wechseln ab mit heftigen Ausbrüchen und kraftvoller Lautstärke.
Das Quartett konnte nicht das ganze vorgesehene Programm spielen. Für das vorgesehene Stück vom Marko Nikoijevic fehlte die Zeit für Barbara Buntrock, mit den anderen zu üben. Man hätte es auch einfach weglassen können. Rainer Schick, der künstlerischer Leiter des Festivals, wies in seiner Einführungsrede darauf hin, dass das dritte Stück, Franz Schuberts Streichquintett C-Dur D 956, besonders lange dauere. Die Zeit für das Konzert wäre also nicht unverhältnismäßig unterschritten worden.
So leicht wollten es sich die Musiker aber nicht machen. Julian Steckel und Paul Rivinius beschlossen, kurzfristig eines der Bravourstücke für Cello einzufügen, die Sonate für Cello und Klavier von Claude Debussy. Sie entstand, als Debussy schon von seiner Krebserkrankung gezeichnet war. Auch in diesem Stück gibt es starke Gegensätze, melancholische Passagen, jähe Lautstärke, mal verhalten, mal rasend, mal gezupft, mal gestrichen, eine Demonstration der Möglichkeiten des Cellos.
Nach der Pause dann das längste Stück in Franz Schuberts Kammermusik . Hier kulminiert das Thema Sehnsucht und Verzweiflung. Es ist kein Quartett, sondern ein Quintett. Die dunklen Töne, die Tiefe der Trauer, die Todesangst wird verstärkt durch ein zweites Cello, hier gespielt von Julian Steckel. Eine Fülle schönster Melodien, jäh unterbrochen von plötzlicher Heftigkeit, weite Melodiebögen, die eine träumerische Stimmung zaubern, dunkle Töne und das Klopfen eines gezupften Cellos, das stets, auch bei den zu Herzen gehenden Schönheiten der Musik, an das Unheil, an den immer präsenten Tod erinnern.
Der innere Kampf Schuberts, der alle seine Pläne und Sehnsüchte aufgeben muss, die Verzweiflung, so jung an einer so schrecklichen Krankheit sterben zu müssen, ist so ergreifend, dass man als Zuhörer am Schluss ganz erschöpft ist. Auch für die Musiker ist es ein Kraftakt. Es erstaunt immer wieder, wie fast überirdisch leise sie spielen können und mit welcher Wucht dann aber die dramatischen Passagen geradezu hereinbrechen. Das ist eine Kunst, die das Armida Quartett in unglaublicher Weise beherrscht.
Das Publikum war begeistert. Es gab Ovationen und Bravorufe. Eine Zugabe gab es nicht, das konnte man nach dieser Anstrengung auch nicht erwarten.
Quelle
Ausgabe Die Rheinpfalz Bad Dürkheimer Zeitung – Nr. 212 vom Montag, den 12.09.2022
Gelungener AbschlussBusch-Hof-Festival endet mit Julian Steckel und FreundenVon Inge Kirsch „Julian Steckel und Freunde“ war das Konzert überschrieben, mit dem das dreitägige „Von-Busch-Hof konzertant“-Festival in Freinsheim am Sonntag auf die Zielgerade einbog. Anders als noch am Tag zuvor gab es an diesem Abend eher Heiteres zu hören, was daran liege, so Rainer Schick scherzhaft in seiner Einführung, dass Bläser dabei seien.Julian Steckel, der Artist in Residence am Cello, wurde diesmal unterstützt von seinem kongenialen Partner am Klavier, Paul Rivinius, sowie der Geigerin Kira Kohlmann, der Bratscherin Karoline Markert, dem Klarinettisten Julius Kircher und dem Oboisten Rainer Schick. Letzterer konnte den Ruf der Bläser als lebenslustige Leute auch gleich zum Auftakt unter Beweis stellen in Mozarts Oboenquartett in F-Dur, KV 370. Hier sind zwei von drei Sätzen im fröhlichen Allegro, außerdem ist ein Faschingsscherz eingebaut, der seinerzeit den Oboisten etwas aus dem Konzept bringen sollte. Sein Part ist zeitweise im Dreiviertel-Takt, während die anderen Musiker weiter in 6/8 spielen. Wie dieses kleine Experiment Mozarts bei der Premiere ausgegangen ist, entzieht sich heute der Kenntnis. Mozart hat dieses Stück extra für den Oboisten Friedrich Ramm, dessen Spiel er sehr bewunderte, geschrieben, ein Gelegenheitsstück am Rande der Arbeiten an der Oper „Idomeneo“. Natürlich lässt Mozart den Oboisten in diesem Stück glänzen, singend im Allegro-Kopfsatz, dramatisch, an „Idomeneo“ erinnernd im Adagio, mit einer Oboe, die aus den Streichern geradezu herausstrahlt. Tremoli, schnelle Läufe, Tänzchen, Wirbel im Schlusssatz.Ganz anders danach Beethovens Sonate für Cello und Klavier C-Dur op. 102. Auch dieses Stück wurde angeregt durch das Spiel eines Virtuosen, dem des Cellisten Joseph Linke. Für ihn schrieb Beethoven diese Sonate. Steckel und Rivinius wiederum „performen“, wie man es schon in den beiden Konzerten am Freitag und Samstag erleben konnte, als wenn sie durch unsichtbare Fäden verbunden wären. Tatsächlich spielen sie im zweiten, äußerst kräftig akzentuierten Satz streckenweise unisono, um dann wieder vereint miteinander und gegeneinander Gespräche von Instrument zu Instrument zu führen. Der Klang des Cello ist besonders schön in den melodiösen Legato-Partien, aber auch eindrucksvoll am Ende, als sich die beiden Virtuosen geradezu tobend und krachend verabschieden. Bei Beethovens Variationen über „Ein Mädchen oder Weibchen“ , F-Dur op. 66, aus Mozarts „Zauberflöte“ geht es ruhiger zu. Hier zelebrieren Steckel und Rivinius zuerst die Ausgangsmelodie, die dann immer wieder weiter verfremdet und variiert wird, sich aber immer wieder zu erkennen gibt. Welche Fülle von Ideen, Ghirlanden und Gegenläufen! Das Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier am Schluss des Konzertes ist wiederum eines, das, wie Rainer Schick erklärte, auf Anregung eines Virtuosen komponiert worden ist. Johannes Brahms hatte sich selbst bereits in den Ruhestand versetzt, als er in Meiningen den Klarinettisten Richard Mühlfeld hörte. Er war vom weichen Ton von Mühlfelds Klarinette so angetan, dass er nicht anders konnte, als doch noch mal kompositorisch zu Werke zu schreiten. So konnten die Zuhörer in Freinsheim nun dem Zwiegespräch oder -gesang von Klarinette und Cello folgen, begleitet und verstärkt vom Piano. Der Tonumfang von Cello und Klarinette wird deutlich betont, sehr viele dunkle, fast grummelnde Partien, lange, schnelle Läufe, Jubilieren in höchsten Tönen, Drama, aber auch ganz leise verhallende Töne. Ein sehr langer Atem des Klarinettisten ist da vonnöten. Unendlich scheinende Variationen, verhaltene und sehr bewegte Melodien, heftige und zarte Töne und wieder eindrucksvolle Unisono-Partien wechseln sich ab. Die Vielfalt an diesem Abend – Oboe, Klarinette, Streicher, besonders aber Cello und Piano – vermittelte ein lange nachklingendes Hörerlebnis. Das war eine der Konstanten des Festivals, und eine weitere die Begeisterung des Publikums, das mit Bravorufen seinen besonderen Dank an die Musiker und an den Verein „Von-Busch-Hof konzertant“ ausdrückte, der durch seine intensive Arbeit diese Konzerte erst möglich machte. |
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Quelle
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