Italienisches Liederbuch

Die Liebe in allen Facetten

Stehende Ovationen ernteten der Bariton Johannes Kammler und die Sopranistin Nikola Hillebrand, begleitet vom Pianisten Marcelo Amaral, mit ihrer Präsentation von Hugo Wolfs „Italienischem Liederbuch“ am Sonntag im Freinsheimer Von-Busch-Hof. Und das, obwohl sie dem Publikum schon einiges abverlangten.

Von Inge Kirsch 
Johannes Kammler kennt das Freinsheimer Publikum schon. Als letzter Interpret vor dem Lockdown im Jahre 2020 sang er, damals begleitet von Akemi Murakami, im Von-Busch-Hof Schuberts „Die Schöne Müllerin“. Damals bat er das Publikum, zu ihm und seinen Künstlerkollegen zu halten und versprach, wiederzukommen, wenn es wieder möglich ist. Das hat er nun am Sonntag auf fulminante Weise wahr gemacht – diesmal zusammen mit der Sopranistin Nikola Hillebrand und begleitet vom Pianisten Marcelo Amaral. Auf dem Programm stand das „Italienische Liederbuch“ von Hugo Wolf, eine Sammlung von nicht weniger als 46 italienischen Liebesliedern, die Paul Heyse, der 1910 als erster deutscher Schriftsteller (nach einem Historiker und einem Philosophen) den Nobelpreis für Literatur erhielt, übersetzt hatte.

Ohne Schwierigkeiten
geht’s bei der Liebe selten abEs sind kurze Gedichte, doch schon allein die Anzahl beeindruckt. Etwas jäh enden die meisten. Es beginnt mit einem Ständchen des Mannes, gefolgt von einem Lied des Mädchens, das beklagt, dass es ständig im Hause bleiben muss. Es sind Lieder voller Sehnsucht und Entschlossenheit, aber bald schon gibt es Schwierigkeiten. Seine Mutter sei gegen sie, wirft sie ihm vor, sie fühlt sich von ihm missachtet, weil sie niedrigeren Standes ist, er aber lobt ihre Schönheit, so lange und eindringlich, bis er ihr Vorwürfe macht: „Hoffärtig seid Ihr, schönes Kind“. Sie klagen und ärgern sich und einander, bis es heißt: „Nun lass uns Frieden schließen, liebstes Leben“. Das geschieht dann tatsächlich noch vor der Pause.

Aber traute Zweisamkeit entwickelt sich mitnichten in der zweiten Hälfte. Der Mann wird immer dramatischer, übertreibt, sieht sich schon tot, ihretwegen natürlich, wie viel hat er gelitten, auch ihretwegen, Selbstmitleid übermannt ihn. Dann wird er sarkastisch, wird sie sarkastisch. Aber die Sehnsucht, der Wunsch nach Liebe bleibt, Munterkeit schleicht sich manchmal ein, auch Frechheit, wenn die Liebste zum Schluss verkündet, sie brauche ihn gar nicht, sie habe Geliebte an mehreren Orten.

Drei echte Könner
sind hier am WerkDie Lieder, die keine starre Ordnung vorgegeben haben, sind bei diesem Konzert so aneinandergereiht, dass sich Szenen und Zwiesprache ergeben zwischen den Liebenden oder auch zeitweilig Hassenden. Es entsteht ein Panorama der Leidenschaften, der Zärtlichkeit und des Zorns, der Melancholie und der Hoffnungsfreude. Nikola Hillebrand kann zärtlich gurren, neckisch trällern, dramatisch Sehnsucht und Schmerz ausdrücken mit großer stimmlicher Kraft und Beweglichkeit. Das gilt auch für Johannes Kammler. Als Opernsänger sind sie beide auch Schauspieler, und sie zaubern mit geringen Mitteln Szenen der innigen Liebe, des Streits, des Flirts – insgesamt ein sehr unterhaltsames Stück, das im zweiten Teil an Rasanz und Komik zunimmt.

Das liegt nicht nur an der Sängern, auch Marcelo Amaral, der Pianist, begleitet und unterstützt nicht nur die Vokalisten, er kommentiert auch die Gefühle und Szenen. Die Wirkung ist so effektvoll, dass die Zuhörer höchst amüsiert sind. Hier sind drei komische Talente auf der Bühne. Das ist eine überraschende Wendung, Eine weitere Steigerung erfährt die Komik dann noch in der Zugabe. Meist wolle das Publikum etwas von Mozart, sagt Nikola Hillebrand. Also singt man ein Duett, bei dem die „Liebenden“ ein ganz anderes Verhältnis haben: Don Giovanni verführt die junge Zerlina und zieht sie singend von der Bühne durch das Publikum hinaus ins Foyer.

Die immer wieder erstaunlich hohe Qualität der Konzerte der Freinsheimer Von-Buch-Hof konzertant-Reihe ist dann weniger erstaunlich, wenn man in Rechnung stellt, welche Koryphäen die Verantwortlichen immer wieder an Land ziehen. Der Pianist Marcelo Amaral, der an diesem Abend sehr überzeugte, zum Beispiel ist höchst bekannt und mehrfach preisgekrönt. Die Sopranistin Nikola Hillebrand – Musikliebhabern vielleicht noch bekannt aus ihrer Zeit am Nationaltheater in Mannheim – ist international unterwegs und zurzeit meist zu hören in der Semperoper in Dresden. Johannes Kammler schließlich singt zurzeit in der Staatsoper Stuttgart und trat auch schon bei den Salzburger Festspielen auf.

Auch beim nächsten Konzert der Reihe Von-Busch-Hof konzertant wird wieder erstklassige Qualität geboten. Die Pianistin Lise de la Salle – auch nicht zum ersten Mal in Freinsheim zu Gast – präsentiert dann am 15. Mail ihr Programm „When Do We Dance?“ mit Stücken unter anderem von Ravel, Rachmaninow, Piazolla und Gershwin.

Quelle

Ausgabe Die Rheinpfalz Bad Dürkheimer Zeitung – Nr. 96
Datum Dienstag, den 26. April 2022