Bad Dürkheimer Zeitung
Trauer, Lebenswille und Überhöhung Das international renommierte Tetzlaff-Quartett spielte in Freinsheim bekannte Streichquartette von Schubert und Beethoven im Von-Busch-Hof erstmalig wieder in voll besetztem Saal. Das Ensemble, angeführt von Star-Geiger Christian Tetzlaff, war nicht zum ersten Mal hier. Wieder spielte es eine Fuge. Von Inge Kirsch Auch eine Pause – mit Ausschank – durfte wieder stattfinden, wie in alten Zeiten. Auf das Tetzlaff Quartett hatte man wegen der Coronapandemie im Jahre 2020 verzichten müssen. In guter Erinnerung ist ihr Auftritt im Jahre 2018 mit einem reinen Beethoven-Programm. Das Programm am Donnerstag führte mit Beethovens Streichquartett in cis-Moll op. 131 das Programm von 2018 fort. Damals spielte man die „Große Fuge“, op. 133. Im jetzigen Konzert gilt der erste Satz, das Adagio, als „kleine Fuge“, wie der künstlerische Leiter des Vereins, Rainer Schick, in seiner Einführung erläuterte. Bei einem der letzten Konzerte teilte Schick dem Publikum mit, dass einer der Musiker in Zukunft die Einführung machen werde. Das klappt aber nicht immer. Die Musiker sind kurz vor dem Auftritt so sehr auf das Konzert fixiert, dass sie das lieber Schick überlassen, so auch dieses Mal. Es war nicht nur eine Einführung, sondern auch eine Einstimmung, die der Solo-Oboist der Staatsphilharmonie bot. Die gedrückte Gemütslage wegen des Krieges in der Ukraine macht die stete Nähe des Todes fühlbar. Das erste Stück des Programms war Franz Schuberts Streichquartett in d-Moll, D 810, das er zwei Jahre vor seinem Tod schrieb. Damals war er schon sehr krank. „Der Tod und das Mädchen“ heißt das Quartett. Schick las das bewegende Gedicht von Matthias Claudius vor, das diesem Namen zugrunde liegt. Der Tod und die Trauer als universale Erfahrung, der unbändige Lebenswille, der dagegen steht und die Auflösung in sphärische Klänge sind bei Schubert und bei Beethoven in diesem Konzert, deutlich zu spüren. Das Quartett mit Christian Tetzlaff (Primarius), Elisabeth Kufferath (zweite Violine), Hanna Weinmeister (Viola) und Tanja Tetzlaff (Cello), beherrscht die Kunst , die zartesten und die heftigsten Gefühle auszudrücken, in unglaublicher Übereinstimmung. Das ist zwar bei einem Ensemble dieser Qualität nicht verwunderlich, verwundert aber doch in seiner Perfektion immer wieder. Hier ist Wort Klangkörper wirklich angebracht. Schuberts Quartett beginnt mit sehr kräftigem Strich, um dann aber sogleich zart und melancholisch zu werden, aufwallende Gefühle, sehnsuchtsvolle Melodien, ersterbender Klang in feinster Abstimmung sind zu hören oder eher zu belauschen. Der zweite Satz, von dem Gedicht „der Tod und das Mädchen“ inspiriert, ist eine Trauermusik, verhalten, elegisch. Der Tod dient sich dem Mädchen an als sanfte Umarmung. Eine zarte Munterkeit ist zu hören. Das Mädchen aber will noch nicht. Widerstand wird laut, nicht aber helle Verzweiflung. Eine langgezogene Zwiesprache mit dem Tod wird grundiert von den schönen, vollen Tönen des Cello und überstrahlt von den hohen engelhaften Tönen der ersten Violine. Das Scherzo findet wieder auf der Erde statt, ist temperamentvoll und deutet Zigeunerweisen an. Auch das folgende Presto ist flott und munter. Aber eine fröhliche Stimmung verbreitet sich nicht. Starke Kontraste, wilde Natur, die Vögelchen singen (besonders mit der ersten Geige) , Sturm kommt auf (im Cello), die Natur ist laut und grob, und zart und still, so leise, mit so zarten Melodien, dass sie wiederum nicht von dieser Welt zu sein scheint. Auch in Beethovens Quartett sind die Trauer, die Schwermut und der Widerstreit der Gefühle bestimmende Themen. Es ist ein ungewöhnliches Stück. Die Tonart cis-Moll ist eine Seltenheit und die Anzahl der Sätze, es sind sieben, ist höher als üblich. Allerdings sollen sie ohne Unterbrechung gespielt werden. Wo im Programm man gerade ist, ist unerheblich. Alles geht „non troppo e molto espressivo“, also nicht zu arg, aber sehr ausdrucksvoll, ineinander über. Es sei „wohl das Schwermütigste, was je in Tönen ausgesagt worden ist“, befand Richard Wagner über das Adagio. Die Klangfarben im Gesang von Cello und Viola, den hohen, fast wie leise gepfiffenen Tönen der Geigen, das Anschwellen und Abklingen , die gemeinsame Wellenbewegung waren so eindrucksvoll, dass das Publikum ganz Ohr war. Das Presto aber war ein Weckruf, ein schnelles Gelaufe, hintereinander, zusammen, dann wieder Rufe, Wald- und Vogelnähe sind zu erahnen, Zupfen, die wilde Jagd, ein grobianisches Tänzchen? Das Allegro am Schluss brachte starke abwechslungsreiche Gegensätze, starke Rhythmen, einfach großartig. Es gab viel Applaus und Bravo-Rufe. Hätten die Musiker nach dieser Anstrengung auf eine Zugabe verzichtet, hätte man es ihnen nicht verdenken können. Offenbar waren sie aber noch nicht ganz ausgespielt, Sie spielten das Menuett aus Joseph Haydns Streichquartett F- Dur op. 77 Nr. 2. Wieder konnte das Publikum in Freinsheim einen außerordentlichen Hörgenuss erfahren. Termin Die nächsten Konzerte des Vereins ist am Sonntag, 10. April, um 11 Uhr das Kinder/Familienkonzert „Peer Gynt“ und Sonntag, 24 April, um 17.30 Uhr ein Liederabend mit Hugo Wolfs „Italienisches Liederbuch“ nach Paul Heyse, gesungem von Nikola Hillenbrand, Sopran, und Johannes Kammler, Bariton. Näheres und Kartenbestellung unter vbh-konzertant.de
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