Rezension Festival 2024, Tag 3

Rezension vom 3. Tag des FESTIVALS FREINSHEIM Konzertant

von Inge Kirsch aus der Rheinpfalz, Bad Dürkheimer Ausgabe, vom 10.10.2024:

 

Zwecks besserer Lesbarkeit der Bericht in anderem Format:

Kultur Regional

Die Poesie der Musik

Das Finale, das dritte und letzte Konzert des Festivals „Freinsheim konzertant“, ist der Höhepunkt, dem die Reihe zustrebt. „Die Hütte ist voll!“ durften sich die Veranstalter freuen. Zum Abschluss trat der „Artist in Residence“ Frank Dupree mit den meisten Musikern auf – mit seinen Freunden, mit Musikern der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz.

Von Inge Kirsch

 
Das Wort Höhepunkt trifft es nicht wirklich. Das Konzert am Sonntag war zwar umwerfend, aber die beiden vorangegangenen Konzerte, jedes auf seine Art, waren es ebenfalls.

Eher still und verträumt begann das Konzert: nur Frank Dupree und sein Flügel. Er spielte drei Stücke von Claude Debussy – Beschreibungen der Eindrücke, die der Komponist bei verschiedenen Gelegenheiten gewonnen hatte. Drei von dessen „Préludes pour piano“ wählte Dupree aus. Die Hügel der Insel Anacapri im Golf von Neapel, die versunkene Kathedrale, deren Glocken unter Wasser immer noch zu hören sind, und das Feuerwerk, das sich entwickelt, sich unterschiedlich schnell verbreitet und schließlich knallt: bildhafte Vorstellungen, in Musik übersetzt, vieles schnell, perlend, anderes bedächtig, die Schwere des Wassers illustrierend und die Wildheit des Feuers.

Von Debussy inspiriert ist die Komponistin der nächsten beiden Stücke: Lili Boulanger. Sie ist die jung verstorbene Schwester der berühmten Nadia Boulanger, die viele Komponisten in ihrem Unterricht beinflusst hat, etwa Aaron Copland und Astor Piazolla.

Lili beschreibt zwei Gärten, einen alten, überwachsenen, etwas dunkel, nur langsam sich verändernd, mit toten Ecken. Vielleicht auch etwas sumpfig und verwunschen? Der andere Garten aber ist hell, die Bienen summen, die Schmetterlinge fliegen, alles wächst, übereinander und durcheinander. Das kann man sich als Zuhörer durchaus vorstellen, die Fantasie wird in Gang gesetzt durch die Poesie der Musik.

Auch die Auswahl aus Maurice Ravels „Miroirs“ bietet träumerisch bewegte Musik, entspannte Betrachtungen, aufziehende Stürme, Dramen und Harmonien sowie Anklänge an die aufziehende Moderne mit Vorboten des Ragtime.

Das bekannteste Stück, in dem Bilder musikalisch beschrieben werden, ist „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky. Frank Duprees Auswahl im ersten Teil des Konzertes ist eine Art Vorspiel zu dem, was nach der Pause kommt. Dupree hat eine Bearbeitung des Stückes ausgesucht, das seinen Vorlieben bestens entspricht, ein „Remake“ des israelischen Komponisten Yaron Gottfried. und zwar für Jazz Trio und Ensemble. Auch Gottfried ist ein Komponist, Pianist und Dirigent, der sowohl in der Klassik als auch im Jazz zu Hause ist. Unbegrenzte Musik wird gespielt, das Genre interessiert nicht.

Auf der Bühne versammelt sich das Frank Dupree Trio, wohlbekannt und bestaunt aus dem ersten Konzert am Freitag, mit Jakob Krupp am Kontrabass und Obi Jenne am Schlagzeug, ergänzt durch Simon Bernstein am Vibraphon, daneben die Freunde aus der Staatsphilharmonie, ein Streichquartett und ein Bläserquintett (zwei Flöten, je eine Oboe, Klarinette und ein Fagott) und schließlich mittendrin, mit dem Rücken zum Publikum, Frank Dupree am Piano. Er spielt und dirigiert. Alle haben Noten vor sich, aber es wird auch improvisiert. Dupree gibt die Einsätze, es ist nicht nur ein musikalisches Schauspiel, sondern auch eines höchster Konzentration. Die Musiker hatten nur sehr wenig Zeit, um miteinander zu üben.

Eine bekannte Melodie aus Mussorgskys Original scheint immer wieder auf und geht dann über in Töne und Rhythmen des Swing, Blues, Reggae, Samba, Rock. Die Bilder ziehen vorüber, manchmal wird es schrill, dissonant, aber nur kurz, es gibt Leichtigkeit, gezupfter Kontrabass, Zwischenapplaus, extensive Schlagzeugsoli mit ganz leise verklingenden Tönen. Sie veranlassen die Zuhörer zum Lauschen, zum Nachhören.

Darauf folgen die lauten und rasenden Töne, die akustischen Einschläge, eine Vielfalt von Klangfarben und Dynamiken. Mal wird es romantisch, mal tanzend und hüpfend, einander nachlaufend, die Fülle der Musik erscheint unendlich. Immer wieder kommt die anfängliche Grundmelodie zum Vorschein und hält das Ganze ein wenig zusammen. Ein Thema, das in diesem Konzert durchgängig ist, ist das der Glocken.

In Gershwins „Amerikaner in Paris“ am Samstag waren es Taxihupen, die den Komponisten so sehr beeindruckt hatten. In Mussorgskys Bildern sind es die Glocken von Kiew. Es ist das zwölfte und letzte Bild, das ein Stadttor von Kiew zeigt. Man hört in Yaron Gottfrieds Remake Kiews Glocken läuten im fast nicht enden wollenden Finale.

Danach war aber nicht Schuss: Es gab donnernden Applaus, stehende Ovationen und natürlich Zugaben. Zunächst Duke Ellingtons „Caravan“. Frank Dupree spielte dabei nicht nur Piano, mit einer Hand auf den Tasten, mit der anderen im Inneren des Instruments. Sondern er führte zudem einen Dialog mit dem Schlagzeug mit Hilfe von Bongotrommeln, die er sich auf der hinteren Bühne schnappte, dann war er plötzlich am Vibraphon. Abermals gab es Applaus und noch eine kleine Zugabe : „What a Wonderful World“, von Louis Armstrong.
Termin und Info

Das nächste Festival Freinsheim läuft vom 3. bis 5. Oktober 2025. Artistin in Residence ist dann die niederländische Geigerin Isabelle van Keulen.